Selbstmitgefühl

 

Gehen wir den Weg der Achtsamkeit, dürfen wir ein kostbares Geschenk empfangen. Wir dürfen uns „annehmen“ so wie wir wirklich sind. Diese Art der Selbstliebe hat nichts mit der egoistischen, narzisstischen Ichbezogenheit zu tun. Eher umgekehrt. Je tiefer die Achtsamkeit in unserem Leben verankert ist, umso mehr fühlen wir uns verbunden mit unseren Mitmenschen, mit der Natur, mit den Tieren und Pflanzen – kurz mit unserer wertvollen Schöpfung, die es zu bewahren gilt.

Räumen wir der Achtsamkeit einen festen Platz in unserem Leben ein, kommen wir nicht umhin, einen tiefen Blick auf unser „So sein“ zu werfen. Was macht uns aus? Warum geben wir den Dingen (Situationen) ihre Bedeutung, die sie für uns haben? Warum reagieren wir so und nicht anders auf unsere Partner, Kollegen, Kinder? Lebe ich mein Leben authentisch?

Wenn wir diesen Fragen auf die Spur gehen, werden wir uns unweigerlich mit unseren Glaubensätzen, Verhaltensmustern, unseren Sozialisierungen und Konditionierungen auseinander setzen. Ein wirklich herausfordernder und anspruchsvoller Prozess, denn viele Glaubenssätze entstehen bereits in der Kindheit. Ängste und Blockaden sind häufig Ergebnis negativer Glaubenssätze. Für mangelnde Selbstliebe und fehlendem Selbstvertrauen können Existenzängste, Angst vor der Zukunft, Bindungsängste, Angst vor dem Arbeitsplatz bzw. Schule und auch die Angst öffentlich zu sprechen, stehen. Glaubenssätze wie „ich genüge nicht“ oder „ich bin es nicht wert“ zeichnen sich hierfür verantwortlich. Sich diesem Komplex zu stellen, erfordert Mut und Geduld. Denn die Ursachen sind oft tief in uns vergraben. Oft müssen wir zunächst viele Schichten in uns abtragen, um überhaupt die Wurzel zu erblicken. Denn es ist nur allzu menschlich, dass wir uns negativen oder schmerzvollen Erinnerungen und Erlebnissen entziehen möchten.

Das Achtsamkeitstraining lädt uns dazu ein, sich diesem Prozess zu stellen. Wir nehmen die Maske ab und verstellen uns nicht mehr für andere Menschen. Wir sind uns unserer Stärken und Schwächen bewusst und wissen, dass wir „in Ordnung sind, so wie wir sind.“ Und was passiert dann? Eine Wandlung unseres Lebens. Es öffnet sich ein Kanal für Freude, Liebe, Friede und Erfüllung. Häufig auch verbunden mit der besonderen Heilkraft des Verzeihens, die wiederum eine große Dankbarkeit nach sich zieht.

 

 

Das Geheimnis des Wandels liegt darin, nicht das Vergangene zu bekämpfen, sondern alle Energie darauf zu richten,

das Neue aufzubauen.

Sokrates

Es ist zu vergleichen mit der Arbeit eines Gärtners oder Landwirts. Zuerst wird der Boden bearbeitet und aufbereitet. Dann werden die Samen gesetzt. Die noch kleinen Pflanzen entwickeln sich zu starken Exemplaren, wenn wir gut für sie sorgen und sie hegen und pflegen. Uns so sind wir in der Lage immer mehr Mitgefühl und Liebe auch unseren Mitmenschen und unserer Umwelt angedeihen zu lassen.

Auch für mich war dies eine sehr intensive und spürbare Auseinandersetzung. Meine täglichen Achtsamkeitsübungen und die Haltungen der Achtsamkeit, haben mir hierbei sehr geholfen.  Ich kann heute mein Leben und meine Geschichte in Liebe annehmen. Und wenn doch mal wieder einer meiner hartnäckigen „Antreiber“ sich meldet, kann ich ihm mit einem Augenzwinkern begegnen und entscheiden, ob ich ihn zulasse oder nicht. Heute treffe ich die Entscheidung und nicht mehr mein Autopilot. Denn ich habe das Steuerrad meines Lebens wieder in der Hand!

Ihr könnt das auch, aber seid Euch gewiss, nur ihr könnt es. Keiner wird diese Schritte für Euch unternehmen – die Verantwortung liegt hierfür bei Euch. Seid Ihr bereit, die Verantwortung dafür zu tragen und Euer Leben selbstbestimmt zu leben? Gratulation. Ihr werdet über Euch hinauswachsen. Schön, dass Ihr bereit seid, etwas zu verändern!

Abschließend möchte ich Euch noch eine kleine Geschichte schenken, die, wunderbar zu der Erfahrung der Achtsamkeit und des Selbstmitgefühls passt, sodass ich sie mit Euch teilen möchte:

Kanal oder Schale?

Es klingt wie eine moderne Anweisung auch auf sich selbst mit Fürsorge zu achten. Jedoch ist dieser  Ratschlag viele hundert Jahre alt. Er stammt von Bernhard. dem ersten Abt des Zisterzienserklosters Clairvaux aus dem 12. Jahrhundert. Er schreibt an einen Freund:

“Wenn Du vernünftig bist, erweise Dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch Du, nur aus der  Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen. Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen. Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist Du dann gut? Wenn Du kannst, hilf mir aus deiner Fülle; wenn nicht, schone dich.“

Herzensgrüße

Eure Brigitta

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